Das Zweiraum Melkbecher Prinzip

Heutige Melksysteme arbeiten ausschließlich nach dem Zweiraum Melkbecher Prinzip. Dies ist seit 1902 bekannt und wurde durch die Engländer Hulbert und Park sowie dem Amerikaner Gillies erstmalig patentiert. Hierbei wird auf eine starre Hülse ein Zitzengummi gezogen. Am oberen Ende der Hülse schließt es durch den Zitzengummikopf und am unteren Ende der Hülse mit einem Schauglas oder einem Monoblock Zitzengummibereich ab. So ergeben sich über die Länge der Melkbecherhülse im Innenbereich gesehen 2 getrennte Räume, der Melkbecherinnen- und der Melkbecherzwischenraum.

1. Der Melkbecherinnenraum

Dieser Raum nimmt beim Melken die Zitze auf. Er selbst mündet am unteren Ende der Melkbecherhülse in einen Schauglas- und kurzem Milchschlauchbereich. Daran schließt sich das Milchsammelstück und der lange Milchschlauch an. Hierüber erfolgt die Versorgung mit dem erforderlichen Melkvakuum aus dem Melkleitungsbereich oder dem Melkeimer. Das hier vorherrschende Melkvakuum sollte möglichst stabil sein und unterliegt somit kaum Schwankungen. Ohne Milchfluss liegt das Vakuum im Melkbecherinnenraum in gleicher Höhe wie im Melkbereich der Anlage vor. Je nach Milchfluss reduziert sich dieses Vakuum unterhalb der Zitze abhängig vom Füllungsgrad des Milchsammelstücks und dem der kurzen Milchschläuche. Es wird zudem durch die Bewegung des Zitzengummis beeinflusst. Je nach dem wie schnell der Zitzengummi öffnet und schließt, beeinflusst es das Vakuum unter der Zitze. Bei zu schnellem Öffnen kommt es durch die plötzliche Volumenvergrößerung unterhalb der Zitze zu einer Vakuumerhöhung und beim Schließen durch die dann stattfindende Volumenreduzierung zu einer Vakuumreduzierung. Der sich bewegende Zitzengummi wirkt damit wie eine Luftpumpe.

2. Der Melkbecherzwischenraum

Der Melkbecherzwischenraum ist über die Pulsschläuche mit dem Pulsator verbunden. Über den Pulsator wird nun Vakuum aus der Pulsatorleitung der Melkanlage entnommen und über die langen und kurzen Pulsschläuche in den Melkbecherzwischenraum eingelassen. Im Wechsel dazu strömt atmosphärische Luft über die Pulsschläuche in den unter Vakuum stehenden Melkbecherzwischenraum. Durch dieses Belüften wird das Vakuum komplett auf Umgebungsdruck ausgetauscht. Dieser Druckwechsel erfolgt, je nach eingestellter Taktzahl, rund 60 x pro Minute.

Die Zitzengummibewegungen.
Beim Maschinenmelken wird aufgrund des Druckgefälles zwischen Euterinnendruck und Melkvakuum durch das im Melkbecherinnenraum herrschende Vakuum der Strichkanal der Zitze geöffnet. Die Milch wird aus der Zitze in das Innere des Melkbechers gesaugt

Dazu muss sich allerdings der Zitzengummi von der Zitzenkuppe entfernen. Eine Bewegung des Zitzengummis wird durch gezieltes Ansteuern von Druckunterschieden zwischen Melkbecherinnenraum und Melkbecherzwischenraum realisiert. Befindet sich im Melkbecherzwischenraum Vakuum, so wird diese Phase als „Vakuumphase“ bezeichnet.
Da sich keine Druckunterschiede zum Melkbecherinnenraum ergeben, auch dort herrscht Vakuum in etwa gleicher Höhe vor, hat sich der Zitzengummi mit zunehmenden Vakuum im Melkbecherzwischenraum geöffnet und bleibt dann im voll geöffneten Zustand, seiner natürlichen Form, stehen.

Sobald der Zitzengummi beim Öffnen seine Klemmkraft auf der Zitzenspitze verliert, beginnt in Abhängigkeit vom Euterinnendruck, der Widerstandskraft des Strichkanals und dem im Melkbecherinnenraum herrschenden Vakuum durch die bestehende Druckdifferenz der Milchfluss aus der Zitze.
Da eine andauernde „Vakuumphase“ nicht nur die Milch aus dem Euter strömen lässt, sondern durch das Vakuum rund um die Zitze auch vermehrt körpereigene Gewebeflüssigkeiten in das Zitzengewebe gesogen wird, muss nach einiger Zeit ein Druckwechsel erfolgen. Ansonsten wird das Gewebe geschädigt und Schmerzrektionen ausgelöst.
Der Pulsator schließt die Vakuumverbindung zur Pulsatorleitung und öffnet den Zugang zur atmosphärischen Luft (Druck). So wird über den gesamten Pulsschlauchbereich der Melkbecher-zwischenraum belüftet.
Der nun herrschende Druckunterschied zwischen Melkbecherinnenraum, (weiterhin Vakuum) und Melkbecherzwischenraum (nun atmosphärischer Druck) führt dazu, dass sich der Zitzengummi in Richtung des Vakuums bewegt, einfaltet und sich somit schließt.
Durch das Schließen des Zitzengummis direkt unter der Zitzenkuppe wird gezielt eine Massagekraft auf die Zitze übertragen. Neben der Druckdifferenz hat die Wandstärke im Schaftbereich und die Weichheit des Gummimaterials einen Einfluss darauf, wie hoch die Kraft auf diese Fläche wirken soll.
Ebenso die Frage, ob bei weichen, dünnwandigen Typen umfassend die gesamte Zitzenkuppe umschlossen massiert oder bei härteren und dickwandigeren Typen es nur zu einer Flanken- massage der Zitze kommen soll. Durch den Druck wird die in der Saugphase hier angestaute Körperflüssigkeiten wieder zur Zirkulation gebracht. Das Gewebe wird entlastet. Würde nicht massiert führt der Gewebeflüssigkeitsstau neben starken Schmerzreaktionen zum Verengen des Strichkanals bis zum Verschluss. Der Milchausfluss würde immer geringer bis er nach einigen Minuten total versiegt.
Als Pulsierung wird das ständige Evakuieren und anschließende Belüften des Melkbecherzwischen-raumes bezeichnet. Das komplette Bewegen des Zitzengummis vom Öffnen über das Schließen bis zum nächsten Öffnen wird Pulszyklus genannt. Heute wird allgemein mit einer Pulsfrequenz von 60 Doppeltakten / min und einem Pulsverhältnis zwischen 60 : 40 und 65 : 35% gemolken.

Aufgeteilt wird dieser Pulszyklus in 4 einzelne Phasen:

Phase a, die Evakuierungsphase
(Das Ventil im Pulsator öffnet sich, Vakuum gelangt über den Pulsator und den Pulsschläuchen in den Melkbecherzwischenraum der Melkbecherhülse, es baut sich dort aus der Luftleitung der Melkanlage ein Vakuum in Höhe des Betriebsvakuums auf, der Schaftbereich des Zitzengummis öffnet sich.)
Phase b, die Vakuumphase
(Das Vakuum im Melkbecherzwischenraum entspricht dem Anlagenvakuum, der Schaftbereich des Zitzengummis ist geöffnet, der Strichkanal der Zitze kann sich durch das anliegende Vakuum öffnen, Milch wird ermolken.)
Phase c, die Belüftungsphase
(Das Ventil im Pulsator öffnet sich, atmosphärische Luft gelangt nun über den Pulsator und die Pulsschläuche in den Melkbecherzwischenraum der Melkbecherhülse. Dort reduziert sich das Vakuum auf Umgebungsdruck, der Schaftbereich des Zitzengummis schließt sich unter der Zitze.)
Phase d, die Druckphase
(Der atmosphärische Druck im Melkbecherzwischenraum bleibt konstant, der Schaftbereich des Zitzengummis drückt/massiert die Zitze.)

Phasen a + b ergeben in der Summe die Saugphase e, c + d die Massagephase f

Neben dem Luftvolumen des Melkzeugs, gebildet aus den Melkbecherzwischenräumen der 4 Melkbecher, entscheidet die Länge und der Innendurchmesser der Pulsschläuche über die Länge der einzelnen Pulsphasen. Hier ist der Strömungswiderstand für den Luftwechsel entscheidend. Dieser ergibt sich aus der Länge und dem Durchmesser der Pulsschläuche zwischen Pulsator und Melkzeug.

Je nachdem wie schnell nun die Druckänderung vonstatten geht, sind die Übergangsphasen a und c kürzer, (kurze Schläuche und freier Durchgang) b und c dadurch länger, oder a und c länger, (längere Schläuche und/oder kleinerer Durchmesser) b und d dadurch kürzer. Das Wissen um diese Zusammenhänge führt dazu, die vom Hersteller vorgegebenen Dimensionen und die entsprechenden DIN/ISO-Vorschriften strikt einzuhalten ( b ³30 %, d ³15 % oder ³150 ms).

Werden hier eigenmächtige Änderungen durchgeführt, hat das direkt Einfluss auf die Länge der einzelnen Pulsphasen!

Im Bereich der Pulsation sind sowohl Vorgaben der DIN/ISO, als auch Funktionsangaben der Hersteller zu berücksichtigen. Das ist auch notwendig, weil erst im Zusammenspiel der Pulsatorphasen mit den eingesetzten Zitzengummis und der beim Melken erforderlichen Vakuumhöhe das Melken optimiert wird. Ein Verlassen des Optimalbereiches kann durchaus zu negativen Folgen führen. Letztendlich geht es darum, dass die Pulsation durch die optimale Ausgestaltung der einzelnen Phasen ein effektives, euterschonendes Melken ermöglicht. In Kombination mit den richtigen Zitzengummis ist so der bleibende Melkerfolg gegeben.

Fachgruppe Melken und Melktechnik,
Albers, Schulze-Wartenhorst

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